Gegenmuster


Seit gestern sind wieder die Junker im Lande, das wohl genialste Marketingkonzept zur Restlverwertung, könnte man mit ein wenig Boshaftigkeit sagen. Aber so ist das mit der Steiermark:

Der Steirer an sich liebt das Steirische im allgemeinen, von den gezogenen Zwielauten bis zur Klachlsuppe. Der Österreicher an sich liebt das Steirische im besonderen, allem voran den steirischen Wein. So er frisch und fruchtig ist, seine Holunderdüfte ordentlich verströmt und Paprikaknackigkeit am Gaumen platzen lässt, vor lauter Primäraromen den Wein vergessen macht oder auch ganz dicht und cremig und holzbewusst mit Volumsprozenten protzt.

Wenn ein steirischer Winzer Wein macht, der den herrschenden Sitten gegenläufig ist, wo das Steirische also nicht beim ersten Schnuppern schon über den Glasrand entspringt, und überdies auch noch biodynamische Methoden wagt, ist nicht zu wundern, dass seiner verweigerten Mustergültigkeit nur Nischenaufmerksamkeit gegönnt ist. Die Aufstellung eigener gültiger Muster aber verdient wohl genauere Betrachtung.

Sepp Muster war einmal Winzer wie alle anderen auch. Dann geschah ein lebensveränderndes Ereignis mit nachfolgenden Jahren der Reflexion und Findung. Der Weg führte ihn wieder zurück zum Wein, wo er sich mit Mut und der nötigen Gelassenheit in die Geschicke eines Weinbaus begeben hat, der die Balance von den vorgefundenen Ressourcen Boden, Rebe, auch Klima und den notwendigen menschlichen Eingriffen bei Bearbeitung, Vorsorge und Gewinnung sucht, mit einer Haltung, die übers schlicht Naturnahe hinauswächst in einen geradezu spirituellen Ansatz. Zwar werden in Leutschach keine mistgefüllten Kuhhörner vergraben, wie es burgundischen Winzern nachgesagt und auch beim großen Lageder praktiziert wird, aber die intensive Beschäftigung mit biodynamischen Arbeitsmethoden und eine Sichtweise des Winzertums, die nicht den Markt, sondern den Einklang in sich sucht, machen seine Arbeit so bemerkenswert. Und seine Weine.

Morillon Graf 2003: Ein goldenes Schimmern im Glas, das zunächst zarte Trockenfruchtaroma gewinnt zunehmend Karamelltöne – doch von diesem Locken darf man sich nicht täuschen lassen, die herbe Strenge/Ernsthaftigkeit, mit der der Wein plötzlich die Mundhöhle füllt, bei gleichzeitiger Samtigkeit, das Schmeicheln und Fordern, das Spiel und der Nachhall – kein rundes und eindimensionales Gebilde ohne Ecken und Kanten, sondern ein von Vielfältigkeit und Lebendigkeit erfülltes Wesen.

Der Welschriesling: Kein Wein für den allzu schnellen Verbrauch (aber Muster-Weine haben die Langlebigkeit immer in sich), kein Einjahreswesen, sondern einer, der dann, wenn andere schon leer und leergetrunken sind, sein weiteres Leben beginnt. Sauvignon Graf: Lage. Wein über die Rebsorte hinaus. Wo kommt der Wein noch her? Aus Frankreich? Ach, Steiermark!

Der Zweigelt: Augen schließen. Transparenz in der Aromatik, leichtfüßige Fülle (wenn es so etwas gibt). Die Flasche war (allein getrunken) so schnell leer, dass es für Notizen nicht mehr gereicht hatte. Nur mehr für Schwärmen und eine wohlige Erinnerung.

Wenige anderswo vorgefundene Verkostungsnotizen zeigen: die Eigenwilligkeit der Weine macht sie zu nicht allgemein verständlichen. Aber müssen sie das sein?


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(10.11.05 auf speising.net)


 


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